(Bildquelle: Reuters)
In Ägypten ist Strom ein knappes Gut. Die Regierung Al-Sisi setzt auf den Ausbau erneuerbarer Energien – mit deutschem Know-how.
Taschenlampe und Kerzen liegen in den meisten ägyptischen Haushalten immer griffbereit. Mindestens ein- bis zweimal pro Woche werden sie gebraucht, wenn abends mal wieder der Strom ausfällt. Es herrscht Strommangel am Nil und zu den Stoßzeiten, wenn die Menschen von der Arbeit nach Hause kommen, Fernsehgerät und Klimaanlage einschalten, wird der Strom knapp und prompt: der nächste Stromausfall!
Die Beamten des Energieministeriums gehen dabei nach einem nicht durchschaubaren Prinzip vor. Mal wird in dieser Straße abgeschaltet, mal in jener. Wie oft und wie lange der Strom ausfällt, ist in Ägypten inzwischen ein politisches Thema. Viele Ägypter messen ihre Regierung daran, wie oft sie ihre Bürger im Dunkeln sitzen lässt. Unter dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi gab es besonders viele Stromausfälle. Nachdem er im Sommer 2013 gestürzt wurde, trat zunächst eine deutliche Verbesserung ein. Die neue Regierung hatte großzügige Finanzhilfen aus den Golfstaaten bekommen und konnte Gas kaufen. Allerdings hielt dies nicht lange an. Der extrem heiße Sommer 2014 zeigte deutlich: Es muss etwas passieren!
Besonders stark hat auch die Industrie unter der Stromknappheit zu leiden. Zeitweilig mussten sogar Fabriken abgeschaltet werden. Wie soll da die dringend erforderliche Ankurbelung der ägyptischen Wirtschaft gelingen? Drei bis vier Gigawatt Kraftwerkskapazität fehlen in dem Land, so wird geschätzt. Der Verbrauch – das ist klar – wird weiter steigen, denn Ägypten hat ein Bevölkerungswachstum von 2,6 Prozent pro Jahr.
Kein Wunder also, dass die Regierung des Militärmachthabers Abdelfattah al-Sisi das Thema Energie ganz oben auf ihre Agenda geschrieben hat. Bei einer hochkarätig besetzten Wirtschaftskonferenz, die kürzlich in Scharm el-Scheich stattfand, spielte der Energiesektor eine wichtige Rolle. Regierungsvertreter aus 90 Staaten und zahlreiche private Investoren reisten an. Viele interessierte dabei, dass Ägypten nun verstärkt auf erneuerbare Energie setzt.
Ideale Bedingungen
Die Bedingungen sind tatsächlich perfekt. Kaum irgendwo auf der Welt bläst der Wind so gleichmäßig und stark wie am Roten Meer, und die Sonne scheint sowieso. Zudem geht Ägypten das Gas aus. Zwar gibt es noch Vorkommen, aber wegen der Finanzknappheit konnte die Regierung die ausländischen Förderfirmen nicht bezahlen; folglich bauten diese ihre Förderkapazitäten nicht mehr weiter aus. Seit 2013 muss deswegen Gas importiert werden.
Diesen Teufelskreis will die Regierung nun durchbrechen: Diversifizieren heißt das Zauberwort. Ägypten hat nun endlich die Gaslieferanten bezahlt und hofft auf größere Fördermengen, zugleich werden Kohlekraftwerke gebaut, und mit Russland wurde vereinbart, am Mittelmeer ein Kernkraftwerk zu bauen. Vor allem aber soll der Wind- und Solarsektor ausgebaut werden.
Die Grundlagen dafür haben deutsche Experten gelegt. Seit Jahren berät die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die ägyptische Regierung; diese verabschiedete im Januar ein „Einspeisegesetz für erneuerbare Energien“. Es garantiert privaten Investoren vergleichsweise großzügige 0,13 Euro pro Kilowattstunde. „Erneuerbare Energien sind ein Bereich, in dem es seit vielen Jahre ein großes deutsches Engagement in Ägypten gibt, und jetzt sehen wir die Erfolge dieser Arbeit. Die Verabschiedung des Einspeisegesetzes ist ein großer Erfolg für unsere Arbeit“, sagt Sebastian Lesch von der Deutschen Botschaft in Kairo.
Pünktlich zum Boom wird auch der Windpark von Gabal el-Zeit fertig. Am Golf von Suez wurde mit Krediten der KfW-Bank im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ein 200-Megawatt-Park gebaut. Bereits jetzt drehen sich einige der 100 Windmühlen, richtig eingeweiht werden soll die Anlage, wenn die letzten Tests abgeschlossen sind. „Dass der Windpark ausgerechnet jetzt fertig wird, ist ein guter Zufall. Allen ist klar, dass dringend neue Kapazitäten zur Stromerzeugung gebaut werden müssen und die Branche der erneuerbaren Energien kann damit punkten, dass sie in dieser Situation auf ein Projekt verweisen kann, das bereits fertig ist und bald eingeweiht wird“, sagt Wolf Muth, Leiter des KfW-Büros in Kairo.
Nun kommt die Privatwirtschaft
Bisher wurden solche Projekte im Auftrag des ägyptischen Staates gebaut und anschließend von der Behörde für erneuerbare Energien betrieben. Nun aber ist die Privatwirtschaft an der Reihe. Südlich von Gabal el-Zeit soll ein Windpark mit 2 000 Megawatt entstehen – von Privatfirmen finanziert, gebaut und betrieben. Die Regierung garantiert die Abnahme über 20 Jahre und sorgt für die notwendige Infrastruktur. Südlich von Aswan wurde zudem eine 1 800-Megawatt-Solaranlage ausgeschrieben. „Das Projekt ist in Parzellen zu 50 Megawatt unterteilt, das macht es auch für kleinere und mittlere Firmen wie uns interessant“, sagt Axel Ceglie, der mit seiner auf erneuerbare Energien spezialisierten Firma Solar-Shams den Zuschlag für den Ausbau einer dieser Parzellen bekommen hat. Bis Ende 2016 soll die Anlage ans Netz gehen, wenn alles gut geht.
Investitionen in Ägypten gelten derzeit als riskant. Die politische Lage ist weiter instabil, das macht Kredite teuer. „Man weiß natürlich nie, wie es hier weitergeht, aber man kann sich sicher sein, dass die Ägypter auch in Zukunft Strom brauchen. Solarstrom ist einfach die beste Lösung für Ägypten“, sagt Axel Ceglie von Solar-Shams.
Von deutscher Seite wird diese Entwicklung gefördert. Schließlich sind deutsche Firmen im Bereich der erneuerbaren Energie stark, und mit den nun ausgeschriebenen Projekten tun sich Chancen auf. Aber auch die Politik spielt eine Rolle. Seit der Schließung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ägypten und der Verurteilung der Stiftungsmitarbeiter zu langen Haftstrafen 2013 kriselt es zwischen Berlin und Kairo. Die Menschenrechtsverletzungen durch Al-Sisis’ Regierung belasten die Beziehungen zusätzlich.
Viele Entwicklungsprojekte, vor allem im Bereich von Demokratieförderung und politischer Bildung, mussten eingestellt werden, weil sie von der Regierung in Kairo als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten abgelehnt werden. Windkraft und Solarstrom hingegen gelten als unverfänglich. „Im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es eine gute, erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ägypten. Sie ist von gemeinsamen Interessen geprägt“, sagt Sebastian Lesch von der deutschen Botschaft.
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