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Jemen: Huthi-Rebellen bereit zu Verhandlungen

(Bildquelle: picture-alliance/AA/M. Hamoud)

Die UN haben die Kriegsparteien des Jemen zu Friedensgesprächen nach Genf eingeladen. Die schiitischen Huthi-Rebellen erklären sich dazu bereit, von der Exil-Regierung kommen widersprüchliche Signale.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will endlich eine Wende schaffen. Nach der erneuten Eskalation des Bürgerkriegs im Jemen sollen nächste Woche Friedensgespräche beginnen. Ban lud die Konfliktparteien zum 28. Mai nach Genf ein. Das Echo auf seine Initiative gab trotz erster Konfusion Anlass zu vorsichtiger Hoffnung.

Die schiitischen Huthi-Rebellen zeigten sich offen für Verhandlungen über eine politische Lösung. Alle revolutionären Kräfte des Landes seien bereit zu einem Dialog unter UN-Schirmherrschaft in einem neutralen Staat, verkündete Rebellenchef Abdelmalik al-Huthi in einer Fernsehansprache. Er warf zugleich Saudi-Arabien vor, keine politische Lösung des Konflikts anzustreben.

Unannehmbare Bedingungen?

Die jemenitische Exil-Regierung in Saudi-Arabien stellte in einer ersten Antwort Bedingungen für ihre Teilnahme an den Gesprächen. Unter anderem müssten sich die aufständischen Huthi erst einmal aus den umkämpften Städten zurückziehen, verlangte etwa Außenminister Rejad Jassin in einer Stellungnahme aus Riad. Jassin gehört der entmachteten, aber international anerkannten Regierung des südarabischen Landes an. Der Vertreter Jemens bei den Vereinten Nationen, Khaled Alyemany, erklärte hingegen später, das Kabinett von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi werde in Genf auf jeden Fall hochrangig vertreten sein, eventuell durch den Vizepräsidenten.

Eine von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition bombardiert seit Ende März Stellungen und Waffenlager der Huthis. Eine fünftägige Waffenruhe war nur aus humanitären Gründen vereinbart worden, um Hilfsgüter ins Land zu bringen und Kranke zu versorgen. Eine diplomatische Initiative war damit nicht verbunden.

Über Diplomatie zu neuer Stabilität

Mit den Genfer Gesprächen solle der „Impuls für einen jemenitisch-geführten politischen Wandel wiederhergestellt“ werden, hieß es bei den UN in New York. „Der Generalsekretär drängt alle Parteien, sich in diesen UN-Beratungen in gutem Glauben und ohne Bedingungen zu engagieren. Die einzige dauerhafte Lösung der Krise im Jemen ist eine umfassende, politische Einigung“, so die Erklärung.

Schon einmal habe das Land auf den Weg zu mehr Stabilität gebracht werden können.

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Zentralafrika auf der Suche nach Versöhnung

(Bildquelle: Reuters)

Nach Monaten der Gewalt mit tausenden Toten treffen sich in der Zentralafrikanischen Republik jetzt Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft zu einem Versöhnungsforum. Aber die Gräben bleiben tief.

Gerechtigkeit und Versöhnung, Frieden und Sicherheit, gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit, Entwicklung und Wiederaufbau – lang ist die Liste der Themen, die bei dem nationalen Versöhnungsforum behandelt werden sollen. Seit Montag (04.05.2015) diskutieren in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui knapp 700 Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft. Die einwöchige Konferenz gilt als Meilenstein auf dem Weg zu nationalen Wahlen, die im August stattfinden und das Land aus der Krise führen sollen. Auch der Entwurf für eine neue Verfassung steht auf der Agenda.

„Es geht darum, die schlechte Regierungsführung, die blutigen Verbrechen, die Plünderungen und die Demütigung zu vergeben – und die Bedingungen dafür auszuhandeln“, fasst Antoinette Montaigne, Beraterin und Sprecherin der Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza, das Ziel des Treffens zusammen.

Boykottiert die Séléka das Treffen?

Im März 2013 war in der Zentralafrikanischen Republik ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Nach einem Putsch der muslimischen Séléka-Bewegung hatten sich christlich-animistische Bürgerwehren gegründet, die Anti-Balaka. In einer regelrechten Gewaltorgie töteten beide Rebellengruppen im ganzen Land Angehörige der jeweils anderen Glaubensgruppe, darunter tausende Zivilisten. Beide Seiten werfen sich vor, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

„Wir möchten an dem Forum teilnehmen, um unsere Rechte einzufordern“, sagt Hadja Aïssatou Saada Moukadas, die Frau des Imams der Atik-Moschee in Bangui. 13 Plätze bei dem Forum sind für zivile Vertreter der Muslime reserviert. Zu wenig, klagen diese.

Die Rebellengruppe Séléka sagte laut einem Kommuniqué, das im Internet kursiert, ihre Teilnahme an dem Forum offenbar ab. Sie moniert Unregelmäßigkeiten bei der Vorbereitung des Forums und die Festnahme eines hochrangigen Séléka-Führers.

Kaum humanitäre Hilfe

Das Versöhnungsforum beginnt zu einer Zeit, in der angespannte Ruhe im Land herrscht. Immerhin: Die Präsenz der internationalen Truppen hat dazu geführt, dass es zumindest in Bangui inzwischen weitgehend friedlich ist. 8500 Blauhelmsoldaten sind in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz, unterstützt durch die französische Sangaris-Mission. Diese ist allerdings erst vor wenigen Tagen in die Schlagzeilen geraten, weil französische Soldaten zentralafrikanische Kinder vergewaltigt haben sollen.

Doch von einem stabilen Frieden ist das Land noch weit entfernt: Immer wieder kommt es zu Ausschreitungen und Gewalt gegen Zivilisten. Rund 460.000 Menschen sind UN-Berichten zufolge in die Nachbarländer der Zentralafrikanischen Republik geflohen. Innerhalb des Landes befinden sich knapp 440.000 Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht. Rund 195.000 Kinder drohen laut UN in diesem Jahr zu verhungern. Vor wenigen Tagen appellierten die Vereinten Nationen an die Weltgemeinschaft, den Millionen notleidenden Menschen in der Zentralafrikanischen Republik zu helfen. Die Geberländer hätten bislang erst 76 Millionen Euro der insgesamt benötigten 550 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt.

Konkrete Handlungen gefordert

David Smith glaubt, dass das Versöhnungsforum an der prekären Situation im Land wenig ändern wird. Er leitet Okapi Consulting, ein südafrikanisches Forschungs- und Beratungsunternehmen. Als Analyst und Kenner des Landes berät Smith internationale Organisationen zur Zentralafrikanischen Republik. „Zum Ende des Forums wird man wohl viele gute Absichten bekanntgeben. Die internationale Gemeinschaft wird sagen, dass das Land auf dem richtigen Weg ist.“ Gespräche über Frieden und Stabilität seien zwar immer gut, so Smith. „Das Problem ist aber, dass nie konkrete Handlungen folgen.“

Deswegen sei es wichtig, so schnell wie möglich Wahlen im Land durchzuführen – selbst, wenn nicht garantiert werden könne, dass sie vollständig frei und fair abliefen. „Momentan haben wir eine Übergangsregierung. Und eine Übergangsregierung ist immer schwach und kann keine langfristigen Projekte auf den Weg bringen, weil sie nicht lange an der Macht ist“, so Smith. Zudem brauche das Land einen konkreten Plan, wie Armee, Polizei, das Gesundheits- und das Bildungssystem aufgebaut werden könnten: „Institutionen, die jeder normal funktionierende Staat hat.“

Ohne Gerechtigkeit keine Versöhnung

Andernfalls drohe sich die Geschichte zu wiederholen, so Smith. Seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 befindet sich das Land in einer steten Abfolge von Staatsstreichen, internationalen Friedensmissionen und Versöhnungsforen. Ein Leben in einem Rechtsstaat, der Frieden und Stabilität garantiert – diesen Zustand haben die meisten Zentralafrikaner noch nie erlebt.

Einen ersten konkreten Schritt hin zu Versöhnung und Gerechtigkeit ist das Land immerhin schon vor dem offiziellen Beginn des Forums gegangen: Der Nationale Übergangsrat hat vor wenigen Tagen ein Gesetz verabschiedet, das den Aufbau eines speziellen Strafgerichtshofs regelt. An ihm sollen zentralafrikanische und internationale Richter gemeinsam über Fälle von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit urteilen. Das Problem: Der aktuelle Verfassungsentwurf könnte amtierende und ehemalige Präsidenten von der Strafverfolgung ausnehmen. Das kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI): Die neue Verfassung dürfe keinen Raum für Straffreiheit lassen, so AI.

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Irans Frieden mit dem „großen Satan“ und die Rolle der Türkei

(Bildquelle: dtj)

Sind Ideologen und Dogmatiker die besseren Realpolitiker? Oder anders gefragt; brauchen Realpolitiker Ideologien und politische Dogmen, um ihre Macht nach innen zu legitimieren und ihre Interessen gegenüber der internationalen Gemeinschaft durchzusetzen?

Die iranische Revolution von 1979 sah sich als eine „islamische“ und zugleich als eine „antiimperialistische“ Revolution. Sie hat die Revolutionsidee nicht nur in den schiitischen Raum, sondern auch in die sunnitischen Länder, wie z.B. in die Türkei exportiert. Neben der sunnitischen Muslimbruderschaft aus Ägypten ist die schiitisch-islamische Revolution und die darauf folgende aggressive Expansionspolitik Teherans der zweite wichtige Faktor, der starken Einfluss auf den politischen Islam auch in der Türkei ausgeübt hat. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan spricht nicht grundlos vom Iran als seiner „zweiten Heimat“.

Der Vordenker der iranischen Revolution, Ali Schariati, ist für den politischen Islam genauso von Bedeutung wie Seyyit Qutub. Akteure des politischen Islams, wie der Journalist und Autor von mehreren Büchern, Abdurrahman Dilipak, relativieren nicht nur den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten. Sie gehen einen Schritt weiter und konstruieren die „Umma“ – Gemeinschaft der gesamten Muslime – als ein Gegenentwurf zur Nation. Ob es realpolitische Voraussetzungen dafür gibt oder wie sie geschaffen werden können, ist von sekundärer Bedeutung. Die iranische Revolution hat die Hoffnung zur Überwindung des aus der Entstehungszeit des Islam stammenden Gegensatzes zwischen Sunnitentum und Schiitentum genährt. Es gab eine wenn auch kleine aber reale Chance dazu in der Person des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini.

Der charismatische Politiker war zugleich eine große religiöse Autorität für die Schiiten. Eine theologische Neudeutung der Streithemen zwischen Sunniten und Schiiten von ihm hätte die Grundlage für einen konstruktiven Dialog seien können. So sehr Khomeini politisch die gesamte islamische Welt angesprochen hat, so wenig hat er jedoch seine große religiöse Autorität dafür genutzt den theologischen Gegensatz zu überwinden. Im Rückblick eine vertane Chance, die es vielleicht nur einmal in einigen Jahrhunderten geben kann.

Der Iran spielt in allen Konflikten der Region eine wichtige Rolle

Iran hat mit der „islamischen“ und „anti-imperialistischen“ Revolution seinen nationalen Einfluss in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich ausgebaut. Er ist mittlerweile einer der wenigen handlungsfähigen Staaten in der Region und spielt von Syrien bis Jemen in allen regionalen Konflikten eine wichtige Rolle. Wenn man Politik als Erweiterung der eigenen Macht und Nutzung jeder Möglichkeit zur Gestaltung auf nationaler und internationaler Ebene versteht, dann ist es dem Iran gelungen, erfolgreich Politik zu betreiben.

Von dieser Position aus hat der Iran nun seine Nuklearpolitik, die aus den pro-westlichen Schah-Zeiten stammt, zur Verhandlungsgegenstand mit den E3+3 Ländern gemacht. Mit E 3 sind die EU-Mitglieder England, Deutschland und Frankreich gemeint. Hinzu kommen die USA, China und Russland. Obwohl sich Russland und die USA wegen dem Ukraine-Konflikt in einer neuen Form des „Kalten Krieg“ befinden, haben sie in der Iran-Frage konstruktiv zusammen gearbeitet. Ansonsten wäre eine Einigung kaum möglich gewesen, wobei nicht ganz klar ist, worin man sich eigentlich geeinigt hat. Im Schweizer Lausanne, wo auch das Abkommen mit der Türkei nach dem Freiheitskampf vor fast 100 Jahren unterzeichnet wurde, ist vereinbart worden, ein mögliches nicht näher definiertes Nuklearabkommen in den kommenden 25 Jahren umzusetzen. Doch auf den Straßen von Teheran wird gefeiert.

Es beginnt also ein langwieriger Prozess: Die internationale Kontrolle über das iranische Nuklearprogramm soll gestärkt und zugleich sollen die Sanktionen, unter denen das iranische Volk mehr leidet als die Führungseliten und ihre Familien, gelockert oder sogar aufgehoben werden.

Iran hat unter Ruhani die starke antiwestliche und antiisraelische Rhetorik aus der Gründerzeit der Revolution stark zurückgefahren. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Mahmoud Ahmadinedschad wirkt er wie ein intellektueller Staatsmann im Gewand eines Ajatollahs, dem es nicht unbedingt darauf ankommt, bei jeder Gelegenheit den „großen Satan“ zu verfluchen und Israel sein Ende zu prophezeien. Dies wäre auch sehr schädlich für die schwierigen Verhandlungen gewesen.

Und die Türkei?

Der türkische Präsident war nach der Einigung in der Schweiz zu Besuch in seiner„zweiten Heimat“. Die klugen Machthaber lobten ihn für seine Vermittlerrolle vor einigen Jahren. Jedoch spielt die Türkei tatsächlich keine Rolle mehr in dem Streit zwischen Westen und dem Iran. Sie war weder in Lausanne vertreten noch hat sie in der zweiten Reihe einen Platz einnehmen dürfen. Das Land am Bosporus ist damit beschäftigt, die Machtgier eines Politikers zu stillen, der ein Präsidialsystem á la Turca einführen will. Dass dabei die Türkei innenpolitisch in eine Systemkrise mit offenem Ausgang gerät und außenpolitisch zunehmend isoliert wird – die AKP-Regierung verschleiert diese Isolation mit dem Begriff „wertvolle Einsamkeit“ – spielt dabei keine Rolle.

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Jemen lehnt Iran-Friedensplan ab – China will vermitteln

(Bildquelle: Reuters/Khaled Abdullah)

Aden/Peking – Im Jemen zeichnet sich trotz neuer Initiativen weiter keine politische Lösung des Konflikts zwischen Regierung und den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen ab.

Die Regierung lehnte am Wochenende einen vom Iran vorgelegten Friedensplan ab. Es handele sei bei dem Vorstoß nur um ein „politisches Manöver“, sagte Regierungssprecher Rajeh Badi der Nachrichtenagentur Reuters. Der Iran kritisierte die USA für seine Unterstützung der von Saudi-Arabien angeführten Luftangriffe auf die Huthis. Damit unterstützten die USA die Unterdrücker, sagte der oberste Führer, Ajatollah Ali Chamenei, vor Militärkommandeuren. Als Vermittler in dem Konflikt brachte sich China ins Spiel.

Der Friedensplan des Iran sieht eine sofortige Feuerpause, ein Ende aller militärischen Angriffe, humanitäre Hilfe und den Aufbau einer Regierung der nationalen Einheit vor. Westliche Regierungen und arabische Diplomaten hatten sich aber zurückhaltend geäußert und erklärt, der Iran sei nicht neutral. Der Jemen und Saudi-Arabien werfen der Islamischen Republik Einmischung in jemenitische Angelegenheiten vor, um die Region zu dominieren. Der Iran weist das ebenso zurück wie den Vorwurf, den Huthi-Rebellen direkte militärische Hilfe zu gewähren.

Die schiitischen Huthi-Milizen haben die Kontrolle über weite Teile des Jemen übernommen. Präsident Abd-Rabbu Mansur Hadi hat sich ins benachbarte Saudi-Arabien abgesetzt. Das Königreich und andere sunnitische Staaten versuchen, mit Luftangriffen die Huthis zurückzudrängen.

China fordert rasche Lösung des Konflikts

Für die Zivilbevölkerung wird die Lage den Vereinten Nationen zufolge immer schlimmer. Etwa 7,5 Millionen Menschen benötigten Hilfe, 150.000 Menschen seien auf der Flucht. Im Zeitraum vom 19. März bis zum 13. April wurden fast 800 Tote registriert. Die tatsächliche Zahl dürfte aber viel höher liegen.

China pochte am Wochenende auf eine rasche politische Lösung und brachte sich als Vermittler ins Gespräch. Präsident Xi Jinping habe in einem Telefonat mit Saudi-Arabiens König Salman angeboten, in enger Abstimmung mit allen Konfliktparteien eine Resolution zur Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen vorzubereiten, teilte das chinesische Außenministerium mit. Alle Beteiligten sollten sich an die Entscheidungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen halten und die Vorschläge des Golf-Kooperationsrates beherzigen, um eine rasche Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen.

China, das im Nahen und Mittleren Osten bislang keine führende politische Rolle einnimmt, ist auf Ölimporte aus der Region angewiesen. In den vergangenen Wochen haben zahlreiche Staaten wie China und Indien auch mit Hilfe ihrer Streitkräfte ihre Landsleute sowie Staatsbürger anderer Nationen aus dem Jemen in Sicherheit gebracht.

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Ein kleiner Baustein für den Frieden in Zentralfrika

(Bildquelle: Getty Images/AFP/S. Maina)

Die Zentralafrikanische Republik hat ein neues Friedensabkommen. Zwei Expräsidenten haben unterzeichnet – doch die aktuelle Übergangsregierung bleibt außen vor. Die Hauptstadt bereitet sich derweil auf Wahlen vor.

Am Ende stand ein symbolischer Handschlag zwischen zwei Ex-Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, und aus Feinden wurden Brüder: Francois Bozizé, der das Land bis März 2013 regierte, und Michel Djotodia, früherer Kopf der Séléka-Rebellion, die Bozizé aus dem Amt jagte, unterzeichneten am Dienstag eine gemeinsame Vereinbarung in Kenias Hauptstadt Nairobi. Darin unterstrichen sie ihre Unterstützung des Abkommens von Brazzaville vom vergangenen Juli und ihre Teilnahme an einem für Ende April in Zentralafrikas Hauptstadt Bangui geplanten Versöhnungsforum. Der gastgebende Präsident Uhuru Kenyatta erklärte die „Friedensinitiative Zentralafrikanische Republik“ feierlich für beendet. Er dankte „seinen zwei Brüdern, den ehemaligen Präsidenten“ und äußerte seine Anerkennung dafür, dass beide an einem Tisch zusammengekommen seien. „Das zeigt, dass ihr gewillt seid, alles in eurer Macht Stehende zu tun, damit die Menschen der Zentralafrikanischen Republik in Frieden und Harmonie leben können.“

Djotodia und Bozizé gelten als symbolische Führungsfiguren im Konflikt: Djotodia für die muslimische Rebellenallianz Séléka, Bozizé für die christlichen Anti-Balaka-Milizen. Vertreter beider Gruppen hatten bereits am 8. April ein Waffenstillstandsabkommen in Nairobi abgeschlossen. Nicht vertreten war in beiden Fällen die Übergangsregierung unter Präsidentin Catherine Samba-Panza. Die Übergangsregierung heiße den gesamten Prozess in Nairobi nicht gut, erfuhr die Deutsche Welle aus Regierungskreisen in Bangui. Eine Teilnahme Bozizés und Djotodias an dem geplanten Versöhnungsforum lehne sie ab. Das Forum in Bangui soll einen politischen Dialog ermöglichen und den Weg zu allgemeinen Wahlen ebnen, die später im Jahr stattfinden sollen.

Gerangel um die Deutungshoheit

Bemerkenswert sei vor allem, was nicht in dem Abkommen von Nairobi stehe, sagt David Smith, Zentralafrikaexperte für die südafrikanische Beraterfirma Okapi Consulting: „Darin ist keine Rede davon, dass Michel Djotodia und Francois Bozizé eine Kandidatur in den Präsidentschaftswahlen verwehrt bleibt.“ In diesem Detail liegt für Smith die ganze Bedeutung der Friedensinitiative von Nairobi: Zwei Drahtzieher des Bürgerkriegs wollen sich wieder Zugang zum politischen Prozess in ihrem Land erzwingen. Die Rolle der Vermittler sei hierbei aufschlussreich: Neben Kenyatta, der bisher wenig zur Zentralafrikanischen Republik zu sagen hatte, stand vor allem Dénis Sassous-Nguesso, der Präsident der Republik Kongo, Pate für die Verhandlungen. „Es ist kein Geheimnis, dass Sassous-Nguesso kein Fan von Übergangspräsidentin Samba-Panza ist“, so Smith im DW-Gespräch. Indem er den beiden Ex-Präsidenten den Weg zurück in die aktive Politik ebne, versuche Kongos Präsident offenbar, die aktuelle Übergangsregierung zu destabilisieren.

Die Politik der Zentralafrikanischen Republik sei von jeher von außen gelenkt gewesen, sagt Smith – besonders die Nachbarländer Republik Kongo und Tschad hätten eine Rolle gespielt. Auch frühere Präsidenten hätten stets de facto nur einen kleinen Teil des Landes um die Hauptstadt unter ihrer Kontrolle gehabt. „Die Ressourcen der Zentralafrikanischen Republik wurden über Jahrzehnte von Ländern der Region ausgebeutet. Man muss sich also fragen: Hat Kenyatta einen Deal für sein Land angeboten bekommen, Geschäftsverträge oder Minenkonzessionen?“

Auf jeden Fall sicherte Kenyatta den Unterzeichnern jede mögliche Unterstützung zu. Gleichzeitig mahnte Kenias Präsident, der sich in den letzten Jahren als Gegner des Internationalen Strafgerichtshofs stilisiert hatte: „Der Frieden soll eurem Land dienen. Lasst nicht zu, dass ausländische Initiativen sich einmischen. Ihr solltet von den Interessen eures Landes und nicht anderer Länder geleitet werden.“ Ein Seitenhieb auf die Beteiligung der Internationalen Gemeinschaft am Übergangsprozess in Bangui.

Ein Weg zurück nach Bangui?

Die Vorbereitung der Wahlen ist derzeit wichtigstes Thema in Bangui. Das nationale Versöhnungsforum, das am 27. April stattfinden soll, ist der nächste Schritt auf diesem Weg. Die Frage, wer teilnehmen soll und wer nicht, erhitzt die Gemüter. Zur Stunde befindet sich die Übergangsregierung zu dieser Frage in Krisengesprächen. Alle müssten teilnehmen, sagte eine Passantin einem DW-Korrespondenten in Bangui: „Wir befinden uns in einem nationalen Versöhnungsprozess. Da darf niemand ausgeschlossen werden.“ Ein Mann pflichtet ihr bei: „Djotodia und Bozizé sind die Hauptverantwortlichen für diese Krise. Sie müssen ihre dreckige Wäsche vor den Augen der Zentralafrikaner waschen.“

Auch der Oppositionelle Joseph Bendounga, ehemaliger Bürgermeister von Bangui, betont gegenüber der DW die Bedeutung eines offenen Forums. „So sehr sie sich auch vor dem zentralafrikanischen Volk schuldig gemacht haben, müssen sie im Forum doch gehört werden.“ Danach solle sich die zentralafrikanische Justiz ihrer annehmen. Eine politische Zukunft im Land sieht Bendounga für beide nicht: „Sie wollen ins Land zurückkehren, nachdem sie es in Brand gesteckt haben. Die Menschen Zentralafrikas haben zu sehr gelitten.“ Bendounga gilt selbst als Kandidat für die Präsidentschaft. Nicht kandidieren darf Catherine Samba-Panza.

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Türkei: Parlamentswahlen entscheiden über Zukunft des politischen Systems

(Bildquelle: dtj)

In genau zwei Monaten finden die Parlamentswahlen in der Türkei statt. Die Parlamentswahlen in der Türkei am 7. Juni werden richtungsweisend für das ganze Land sein. Das wichtigste zur Wahl hier im Überblick.

Die Parlamentswahl am 7. Juni könnte als eine der wichtigsten seit Gründung der Republik in die Geschichte eingehen. Sie wird entscheidend sein für die Zukunft des politischen Systems des Landes. Obwohl er sich laut Gesetz aus der Parteipolitik herauszuhalten hat, ist es Präsident Erdoğans erklärtes Ziel, dass die islamisch-konservative Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP) die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht, um eine neue Verfassung zu verabschieden und das Land von einer parlamentarischen Demokratie in ein Präsidialsystem umzuwandeln, von dem viele das Abrutschen in die Autokratie befürchten.

Vor Parlamentswahlen: Schwierige Ausgangslage für die AKP

Die Aussichten für die Regierungspartei, ihre Wahlziele zu erreichen, stehen jedoch schlechter denn je. Nachdem sie in den letzten drei Parlamentswahlen jedes Mal die absolute Mehrheit erlangte und ihren Stimmenanteil kontinuierlich steigern konnte, sehen aktuelle Umfragen Verluste von bis zu zehn Prozent, was eine Alleinregierung verhindern und eine Koalition nötig machen würde. Dass die Oppositionsparteien in einem bedeutend besseren Zustand sind als noch vor den letzten Parlamentswahlen 2011, ist nicht der einzige Grund, trägt aber maßgeblich dazu bei.

Nicht zuletzt spielt dabei die linke, prokurdische Halkların Demokratik Partisi (Demokratische Partei der Völker; HDP) eine entscheidende Rolle, steht sie doch an der Grenze dazu, die undemokratisch hohe 10%-Wahlhürde zu überschreiten und erstmals als Partei in das Parlament einzuziehen, nachdem sie und ihre Vorgängerparteien bisher nur mit formal unabhängigen Kandidaten angetreten sind. Sie würde damit nicht nur die Zweidrittelmehrheit der AKP verhindern, sondern könnte sich auch als feste Größe im politischen System etablieren. „Das Risiko ist hoch, aber der mögliche Erfolg ist es wert.“ sagt ihr Kandidat Saruhan Oluç dazu. Eng verbunden mit der HDP ist die Kurdenfrage in der Türkei. Sie und die Rolle der Kurden im Allgemeinen zählen zu den am heißesten diskutierten Themen im Vorfeld der Wahl; auch der seit 2012 laufende Friedensprozess mit der PKK wird von ihr maßgeblich beeinflusst werden.

Selbst wenn sich das System nicht ändert, seine Vertreter werden es auf jeden Fall

Gleichzeitig deutet sich schon jetzt ein umfassender Wandel im politischen Personal und dem Charakter der der Parteien an. Während es in der AKP brodelt und interne Machtkämpfe immer häufiger an das Licht der Öffentlichkeit gelangen, wird über die Hälfte ihrer jetzigen Abgeordneten ab Juni nicht mehr im Parlament vertreten sein. Der Einfluss, den Erdoğan auf die Auswahl der Kandidaten hatte, ist offensichtlich und die Loyalität zu ihm scheint der wichtigste Faktor für eine Nominierung gewesen zu sein. Manches spricht dafür, dass sich die AKP zunehmend zu einer Staatspartei entwickelt.

Die größte Oppositionspartei, die sozialdemokratisch-kemalistische CHP, öffnet sich wiederum demonstrativ Minderheiten wie den Armeniern oder den Roma und setzt auf einen stark erhöhten Frauenanteil. Übertroffen wird sie dabei noch von der HDP, die mit einem weiblichen Anteil von beinahe 50% und einer bunten ethnischen und konfessionellen Mischung ihrer Kandidaten das Ziel verfolgt, weg vom Image einer „Kurdenpartei“ zu kommen und alle Schichten und Gruppen der Gesellschaft als linke Alternative zu den etablierten Parteien anzusprechen. Die nationalistische Milliyetçi Hareket Partisi (Partei der Nationalen Bewegung; MHP) wiederum setzt mehr denn je darauf, sich mittels renommierter Kandidaten als seriöse, konservativ-nationalistische AKP-Alternative zu präsentieren.

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Türkei: Der türkische Präsident riskiert einen Bürgerkrieg

(Bildquelle: Reuters)

Die Friedensgespräche der Türkei mit der Kurdenguerilla PKK waren auf einem guten Weg. Doch Staatspräsident Erdogan setzt im Wahlkampf mal wieder auf Provokation und Polarisierung.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich früher als Regierungschef große Verdienste erworben, als er Friedensgespräche mit der Kurdenguerilla PKK begann, um den dreißigjährigen Bürgerkrieg in Südostanatolien zu beenden. Die Menschen sind froh, dass die Waffen seit drei Jahren schweigen. Die PKK hat der Gewalt in der Türkei abgeschworen. Der Frieden belebt die Wirtschaft im Kurdengebiet. Das sind Erfolge, auf die Erdogan stolz sein kann. Während die Nachbarländer Syrien und Irak in blutigen Bürgerkriegen versinken, hat er die Sprachlosigkeit zwischen Staat und Guerilla aufgebrochen, eine friedliche Lösung möglich gemacht.

Provokation und Polarisierung

Umso verheerender wirken die Angriffe des Militärs auf die PKK, seit Erdogan für die angestrebte Super-Präsidentschaft auf nationalistische Wähler setzt und dafür den Schulterschluss mit den Generälen sucht. Sein bewährtes Wahlkampfrezept sind Provokation und Polarisierung, um sich anschließend als Retter der Nation zu inszenieren. Doch wenn er dem Generalstab aus wahltaktischen Gründen freie Hand gibt, in alter Haudrauf-Manier gegen die „separatistische Terrororganisation“ PKK vorzugehen, dann ist er es, der den historischen Friedensprozess mit den Kurden sabotiert und damit sein wichtigstes politisches Erbe verspielt. Die Türkei und der Nahe Osten können keinen neuen Bürgerkrieg gebrauchen.

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Neue Hoffnungen für Nigerias Terror-Opfer?

(Bildquelle: picture-alliance/Zuma Press)

In sechs Monaten könne er Boko Haram schlagen, versprach Nigerias neuer Präsident Buhari. Die DW-Korrespondenten Adrian Kriesch und Jan-Philipp Scholz fragten Flüchtlinge: Glauben sie an einen schnellen Sieg?

Mehr als 20 Frauen, Männer und Kinder sitzen auf Bastmatten in dem kleinen Innenhof von Ibrahim Abdullahi. Für die meisten von ihnen ist das seit Monaten Alltag: sitzen und warten. Sie mussten fliehen, als Kämpfer der Terrorgruppe Boko Haram ihre Dörfer im Nordosten Nigerias angriffen. Seitdem sind die Flüchtlinge bei ihrem Verwandten Abdullahi untergekommen, der in der nordnigerianischen Großstadt Kaduna einen Job bei einer Nichtregierungsorganisation hat.

Die Regierung ist seit Jahren überfordert

Sie teilen ihr Schicksal mit rund 1,5 Millionen anderen Nigerianern, die laut Schätzungen von Hilfsorganisationen wegen des Terrors ihre Heimat verlassen mussten. Die meisten von ihnen wohnen seitdem bei Familienangehörigen in anderen Landesteilen. Die nigerianische Regierung ist seit Jahren mit dem Problem überfordert. Die ohnehin knappen Gelder, die zur Flüchtlingshilfe bereitgestellt werden, versickern in korrupten Kanälen, Flüchtlingslager sind überfüllt, es fehlt an Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung.

Flüchtlinge aus dem Nord-Osten Nigerias in Kaduna (Bildquelle: DW/J.-P. Scholz/A. Kriesch)
Flüchtlinge aus dem Nord-Osten Nigerias in Kaduna (Bildquelle: DW/J.-P. Scholz/A. Kriesch)

Auch für die Flüchtlinge bei Ibrahim Abdullahi wird das Essen regelmäßig knapp, die Matten bieten kaum genug Platz zum schlafen. Immer wieder hat Nigerias neu gewählter Präsident Muhammadu Buhari, selbst ein Muslim aus dem am stärksten vom Terror betroffenen Norden des Landes, im Wahlkampf die Situation der Flüchtlinge angeprangert. Im ersten halben Jahr seiner Amtszeit wolle er für Sicherheit im ganzen Land sorgen und den Vertriebenen so die Möglichkeit geben, in ihre Heimatorte zurückzukehren, so Buharis großes Versprechen.

„Ein Muslim kann die Sicherheitsprobleme besser lösen“

Ob sie das glauben sollen, darüber sind die Flüchtlinge in Kaduna geteilter Meinung. „Ich glaube daran, dass wir schon bald wieder zurückgehen können“, meint Yagana Umar, eine junge Frau aus Maiduguri, der Hauptstadt des Bundesstaates Borno. Ihre Sitznachbarin Asabe Abubakar, die ihren fünfjährigen Sohn auf dem Schoß hält, ist skeptischer. Sie wolle ja auch gerne daran glauben, aber: „Politiker haben schon viel versprochen und dann nichts unternommen.“ In der Tat, Nigerias scheidender Präsident Goodluck Jonathan, ein Politiker aus Nigerias ölreichem, christlich geprägtem Süden, schien sich lange Zeit kaum für das Schicksal der Menschen im Nordosten des Landes zu interessieren. Nach der Entführung von beinahe 300 Schülerinnen vor fast genau einem Jahr war er nicht bereit, die betroffenen Familien in ihrer Heimat Chibok zu besuchen.

Pastor Yohanna Buru, der mit seinem muslimischen Kollegen Imam Lawal Maduru eine gemeinsame, religionsübergreifende Hilfsaktion für die Flüchtlinge in Kaduna ins Leben gerufen hat, glaubt, dass Muhammadu Buhari erfolgreicher als sein Vorgänger sein wird: „Ein Muslim kann einfach besser mit den Problemen hier fertig werden“, so der Pastor. Buhari kenne die Sorgen der Menschen im muslimischen Norden besser. Er sei ja letztes Jahr sogar selbst fast ein Opfer des Terrors geworden, als mutmaßliche Boko Haram-Kämpfer ihn im Wahlkampf angriffen. „Ich bin mir sicher: Buhari wird alles Menschenmögliche tun, um das Terror-Problem in Nigeria zu lösen“, so Pastor Buru.

Mit Boko Haram verhandeln?

Dass das Menschenmögliche reichen wird, um Boko Haram innerhalb der angekündigten sechs Monate zu besiegen, hält Terror-Experte Jibo Ibrahim für unwahrscheinlich. „In sechs Monaten kann man vielleicht die meisten ihrer Basen zerstören“, so der Politikwissenschaftler des nigerianischen Center for Democracy and Development. Die vielen radikalisierten jungen Männer, die bereit seien, bei Selbstmordattentaten ihr Leben zu opfern, könne man aber nicht so schnell besiegen. Gegen Boko Haram brauche es eine Doppelstrategie, so Ibrahim. „Erst muss man sie militärisch empfindlich schwächen – und dann muss man ihnen ein Verhandlungsangebot machen.“ Nur, wenn die Führungsriege der Terrorgruppe es als ihre letzte Chance sehe, den Kampf aufzugeben, könne es in Nigeria wirklich Frieden geben.

Imam Lawal Maduru, der jede Woche zusammen mit Pastor Buru durch ganz Kaduna zieht, um die vielen christlichen und muslimischen Flüchtlingsfamilien zu besuchen, sieht das ähnlich. Allerdings müsse neben denen Erfolgen im militärischen Kampf und am Verhandlungstisch noch ein weiterer hinzukommen. „Die neue Regierung muss nun endlich gegen die Arbeitslosigkeit vorgehen“, so der Imam. Diese sei noch immer der beste Nährboden für zukünftige Terroristen-Generationen.

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Neue Ziele für Afrikas Zukunft

(Bildquelle: picture-alliance/Arco Images/K. Kreder)

Wohlstand, Frieden und saubere Luft: In sechs Monaten entscheidet die Welt über neue nachhaltige Entwicklungsziele – die sogenannten SDGs. Wie beurteilen afrikanische Beobachter die Verhandlungen? Wir haben nachgefragt.

Der Tschadsee in Westafrika: ausgetrocknet. Die Böden im Nil-Delta: versalzen. Die Giraffen in Südafrika: tot. Wenn Bakary Kante über Gefahren für seinen Kontinent spricht, redet er sich gerne mal in Rage. Früher hat er im Umweltministerium seiner Heimat Senegal gearbeitet, später für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Heute reist er als Politikberater seiner eigenen Nichtregierungsorganisation ASCENT durch Afrika und die Welt und mischt sich ein in die globale Debatte über Nachhaltigkeit. Seine Botschaft an die Entscheider ist deutlich: „Wacht endlich auf, die Zeit rennt uns davon!“

Die afrikanischen Staaten gehören zwar nicht zu den großen CO2-Sündern, aber Wissenschaftler warnen: Der Klimawandel wird auf dem Kontinent so hart zuschlagen wie nirgendwo sonst auf der Welt. „Es muss sich endlich etwas ändern“, predigt Kante. „Unsere Bevölkerungen wachsen, unsere Wirtschaft auch – das hat dramatische Folgen für die Ökosysteme.“ Deshalb beobachtet er zurzeit sehr genau, was die Weltgemeinschaft unternehmen will, um künftig Entwicklung dauerhaft zu fördern – ohne dass Mensch und Umwelt darunter leiden.

Was haben die Millenniumsziele gebracht?

2015 gilt dabei als Schicksalsjahr: Im Dezember soll die internationale Staatengemeinschaft in Paris ein neues Klimaschutzabkommen beschließen. Und drei Monate vorher, Ende September, wollen die Vereinten Nationen die neuen nachhaltigen Entwicklungsziele verabschieden, die Sustainable Development Goals (SDGs). Sie sollen für alle Länder gleichermaßen gelten – für Industriestaaten wie Deutschland genauso wie für Entwicklungsländer, etwa Kamerun oder Äthiopien. Neben dem Kampf gegen Hunger und Armut stehen ertsmals auch Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften im Fokus. Das gesamte Paket soll die bisherigen acht Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) ablösen.

2015 wird also auch Bilanz gezogen, was die MDGs seit ihrer Verabschiedung vor 15 Jahren gebracht haben. Das Fazit fällt sehr gemischt aus. Während es weltweit vielen Entwicklungsländern gelungen ist, die Anzahl der Menschen in extremer Armut zu halbieren, haben das in Afrika gerade einmal sechs Länder geschafft, zum Beispiel Senegal, Kamerun und Tunesien. Aber in Nigeria, Kenia oder der Zentralafrikanischen Republik hat sich die Lage nach Angaben der Afrikanischen Entwicklungsbank sogar noch verschlechtert.

Und trotzdem: „Die MDGs haben geholfen, mehr Aufmerksamkeit für viele Probleme in Afrika zu schaffen“, sagt Fatan Aggad. Die Südafrikanerin arbeitet für den europäischen Think Tank ECPDM im niederländischen Maastricht. So gingen heute etwa viel mehr Kinder zur Grundschule als noch vor 15 Jahren, nicht nur Jungen – auch Mädchen. Nirgendwo sonst habe sich der Zugang zu Bildung so rasant verbessert wie in Afrika. „Aber jetzt steht der Kontinent vor dem Problem, dass es zwar viele Schulabgänger gibt – die finden allerdings keine Jobs.“ 500 Millionen Menschen drängen laut Schätzungen in den nächsten Jahren auf den afrikanischen Arbeitsmarkt.

Was braucht Afrika?

„Was wir mit den MDGs nicht geschafft haben, das müssen die SDGs jetzt leisten“, sagt Salina Sanou von der Nichtregierungsorganisation ACORD in Nairobi. Der Wunschzettel für die neuen Ziele ist lang. Welche am Ende tatsächlich drauf kommen und welche nicht, darüber verhandeln Diplomaten aus der ganzen Welt seit drei Jahren: Inzwischen liegen nicht weniger als 17 Hauptziele und 169 Unterziele auf dem Tisch. Ziel 1 zum Beispiel lautet: „Armut beenden, in all ihren Formen, überall.“ Oder Ziel 7: „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie schaffen“. Längst werben aber vor allem Politiker aus Industriestaaten dafür, die Liste deutlich zu kürzen.

Ziel 5 fordert: „Gleichberechtigung der Geschlechter erreichen und die Rechte aller Frauen und Mädchen stärken.“ Salina Sanou hätte sich ein noch stärkeres Bekenntnis gewünscht, denn in vielen afrikanischen Ländern seien Zwangsehen, Missbrauch und Diskriminierung bitterer Alltag. Außerdem vermisst sie ein Ziel zu sozialen Sicherungssystemen. „In westlichen Staaten haben die Menschen Zugang zu guten Ärzten, zu Sozialhilfe, zu Versicherungen“, sagt die Aktivistin. „Bei uns in Afrika gibt es so etwas nicht. Hier sind die Familien das soziale Netz, das den Einzelnen auffangen muss.“

Frieden als Bedingung für nachhaltige Entwicklung

Ziel 16, „Friedliche Gesellschaften fördern“, haben die afrikanischen Staaten eingebracht: „Bis zur letzten Minute haben deren Vertreter diskutiert, ob sich all diese Entwicklungsziele überhaupt erreichen lassen, wenn ein Land politisch instabil ist. Also haben sie ein zusätzliches Ziel vorgeschlagen, das sich speziell mit Frieden und Sicherheit befasst“, sagt Analystin Fatan Aggad. Denn gerade in Afrika werde deutlich, wie eng alle Entwicklungsziele zusammenhingen: „Die Kriege haben viele Ursachen: Klimawandel, Streit um Land. Man kann sie nicht nur durch Friedensmissionen und Interventionen lösen. Man muss die Ursachen von Instabilität angehen.“

Politikberater Bakary Kante aus dem Senegal verfolgt den langwierigen Verhandlungsprozess sehr skeptisch. „Die Bürokraten in New York feilschen um jedes Komma und jeden Punkt. Dabei haben sie den Bezug zur Realität längst verloren“. Ihm geht es um einen eigenen afrikanischen Ansatz, der die Fehler der Industrie- und Schwellenländer nicht wiederholt. Afrika müsse sein bisheriges Entwicklungsmodell überdenken und neue Wege gehen. „Europa stößt an seine Grenzen, Nordamerika auch. Und wie Asien seine natürlichen Ressourcen ausbeutet, kann einem nur Angst machen“, sagt Kante.

Money, Money, Money

Und wer soll das alles bezahlen? Schon jetzt ist klar: Das Geld ist knapp, denn nur wenige Industriestaaten werden ihr Versprechen einlösen, bis Ende des Jahres 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für staatliche Entwicklungshilfe auszugeben. Auch Deutschland dürfte noch weit davon entfernt sein: 2013 kam die Bundesrepublik gerade einmal auf 0,38 Prozent. „Viele der traditionellen Geberländer haben jetzt vor allem ihre eigenen Probleme im Sinn“, sagt Analystin Aggad und spielt auch auf die Wirtschafts- und Finanzkrise an. Afrika müsse also künftig noch mehr selbst zur Finanzierung der eigenen Entwicklung beitragen. Das bedeute vor allem: mehr Steuern eintreiben und Korruption bekämpfen.

Mehr Eigenverantwortung der afrikanischen Staaten fordert auch Salina Sanou von ACORD. „Das Problem mit den Millenniumszielen war doch, dass sie die Welt eingeteilt haben in Geber und Empfänger von Hilfe – also den Westen und die Entwicklungsländer.

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Nigeria: UN – Boko Haram muss gestoppt werden

(Bildquelle: Reuters/Emmanuel Braun)

Wie kann dem Morden von Boko Haram ein Ende bereitet werden? Darum geht es in einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. Eröffnet wurde sie mit einem flammenden Appell.

Mehr als 14.000 Menschen hat die Terrorgruppe Boko Haram seit 2009 in Nigeria und den Nachbarländern ermordet. „Diese abscheulichen Massaker, die Entwicklung, Frieden und Sicherheit schwer gefährden, müssen gestoppt werden“, forderte Seid Ra’ad al-Hussein, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, zu Beginn des Treffens. Er appellierte an die internationale Staatengemeinschaft, dem Wüten der Extremisten ein Ende zu bereiten und die Täter strafrechtlich zu verfolgen.

Fast zwei Millionen sind auf der Flucht

Derzeit seien mehr als 1,5 Millionen Menschen in Nigeria auf der Flucht vor der Gewalt der Boko Haram, mehr als 200.000 Männer, Frauen und Kinder habe der Terror bereits außer Landes getrieben. Unzählige Kinder, Frauen und Männer seien entführt und viele als Kämpfer zwangsrekrutiert worden. Als besonders verabscheuenswürdig bezeichnete Al-Hussein den Missbrauch von Kindern als „Kanonenfutter“. Die Terroristen würden sie zwingen, bei Kämpfen mit Regierungstruppen in der ersten Frontlinie zu stehen. Mehrfach seien Kinder als „menschliche Bomben“ eingesetzt worden.

Die Sondersitzung des UN-Gremiums war auf Antrag der afrikanischen Staatengruppe einberufen worden. In einer Resolution wird die internationale Gemeinschaft aufgerufen, Nigeria sowie Kamerun, Tschad und Niger aktive Hilfe beim Kampf gegen die Terroristen zu gewähren.

Religiöse Fanatiker oder nur brutale Verbrecher?

Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram führt im Nordosten Nigerias einen blutigen Feldzug zur Errichtung eines sogenannten islamischen Gottesstaats. In diesem Kalifat soll dann einzig und allein eine radikale Auslegung der Scharia (islamische Rechtsprechung) gelten. Die sunnitischen Fundamentalisten werden für viele Attentate und Angriffe in dem westafrikanischen Staat verantwortlich gemacht.

Die selbst ernannten Gotteskrieger kontrollieren bereits Teile des Nordostens und versuchen auch, Gebiete in den Nachbarländern Kamerun und Niger zu erobern. Über Organisationsstrukturen und Mitgliederzahlen der Boko Haram liegen keine gesicherten Informationen vor. Die Gruppe hat vor kurzem der sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Gefolgschaft geschworen, die im Irak und in Syrien große Gebiete beherrscht und Ableger in anderen muslimischen Staaten hat.

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